Hamburg, 06.03.2022
Die fünf historischen Bahnbrücken zwischen den S-Bahn-Stationen Berliner Tor und Rothenburgsort prägen seit über 100 Jahren das Stadtbild und stehen aufgrund ihrer verkehrsgeschichtlichen Bedeutung unter Denkmalschutz. Dennoch will die Deutsche Bahn sie jetzt mit Verweis auf ihre rechnerische Restnutzungsdauer abreißen. Der Denkmalverein fordert daher, dass die Bahn dringend ihre Richtlinien zur Berechnung von Restnutzungsdauern überarbeitet, Ausnahmeregelungen für Bestandsbauwerke konsequenter nutzt und der Bund auch Sanierungen mitfinanziert. Es ist wichtig, dass das Hamburger Schienennetz sicher und zukunftsfähig ausgebaut wird. Das darf jedoch nicht auf Kosten von Denkmälern der Verkehrsgeschichte, Stadtbild und Klima geschehen.
Zum Hintergrund
Die Deutsche Bahn plant in den kommenden 10 Jahren in Hamburg Baumaßnahmen an mindestens 70 Brücken, davon sollen voraussichtlich 28 Brücken abgerissen werden. Hinter diesen Planungen stehen auch wirtschaftliche Abwägungen: Aktuell belohnt die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn und Bund einseitig Neubauten und macht Sanierungen unattraktiv. Zudem führen die überholungsbedürftigen und einseitig auf Neubauten ausgerichteten Richtlinien der Bahn zur Berechnung von Restnutzungsdauern dazu, dass regelmäßig historische Brücken vorzeitig aufgegeben werden, obwohl sie noch lange Zeit voll funktionsfähig wären.
Durch den Abriss historischer Brücken gehen Baugeschichte und Qualitäten im Stadtbild verloren: Schlanke, feingliedrige Konstruktionen werden ersetzt durch grobe und überdimensionierte Standard-Neubauten. Darüber hinaus sind diese Abrisse deutlich klimaschädlicher als Instandhaltungen und Sanierungen, bei denen die in der Brücke enthaltene „graue Energie“ bewahrt und weitergenutzt wird.
Historische Bedeutung
Die S-Bahn-Linie zwischen Berliner Tor und Rothenburgsort wurde in den Jahren 1901 und 1902 erbaut, um den Hamburger Südosten zu erschließen und den innerstädtischen Verkehr zu entlasten. Die Bahnstrecke lag vorher auf Straßenebene und wurde nun erstmals höhergelegt, um den Bahn- vom Straßenverkehr zu trennen. Von den ursprünglich acht Eisenbahnüberführungen auf diesem Abschnitt stehen heute nur noch die fünf aktuell vom Abriss bedrohten Brücken (Anckelmannsplatz, Wendenstraße, Südkanal, Süderstraße und Billstraße). Sie gehören zu den letzten, ältesten Bahnbrücken Hamburgs und haben eine große ingenieurbau-, stadtentwicklungs- und verkehrsgeschichtliche Bedeutung. Zudem prägen sie das Stadtbild in diesem vom Krieg stark zerstörten Teil Hamburgs.