Hamburg, 09.08.2023

Anlässlich des gerade bekannt gewordenen Gutachtens zur Erhaltungsfähigkeit der Köhlbrandbrücke fordert der Denkmalverein Hamburg e.V. den Senat auf:

  • die bautechnische, funktionale und wirtschaftliche Erhaltungsfähigkeit der Köhlbrandbrücke in vertiefenden und unabhängigen ingenieur- und verkehrstechnischen Untersuchungen eingehend, gewissenhaft und ergebnisoffen prüfen zu lassen,
  • die Erkenntnisse dieser Untersuchungen der öffentlichen Diskussion uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen,
  • die weiteren Planungen für eine neue Köhlbrandquerung bis zum Vorliegen dieser Untersuchungen einzustellen und
  • die Entscheidung über Erhalt oder Abriss der Köhlbrandbrücke erst auf der Basis der Ergebnisse und unter Einbeziehung der Hamburgerinnen und Hamburger zu treffen.

Begründung
Die Köhlbrandbrücke ist ein Wahrzeichen der Stadt Hamburg, ein bedeutendes denkmalgeschütztes Ingenieurbauwerk und ein wichtiges Zeugnis der Hamburger Verkehrsgeschichte, das daher unbedingt erhalten werden sollte. Ein unnötiger Abriss würde zudem eine erhebliche Verschwendung grauer Energie und der Neubau einer Brücke oder eines Tunnels hohe Investitionskosten und gigantische Mengen an CO2-erzeugen.

Darüber hinaus wäre eine Sanierung deutlich günstiger als alle anderen Alternativen: Die Kosten einer Erneuerung der Stahlbetonrampen werden im Gutachten von 2008 grob auf 90 Mio. Euro geschätzt. Unter Berücksichtigung der Baukostensteigerungen seither würde sich heute ein Betrag von rd. 160 Mio. Euro errechnen. Und auch wenn die zukünftige Baupreisentwicklung, vertiefende Erkenntnisse zu den notwendigen Maßnahmen und der Instandsetzungsbedarf an der Stahlbrücke eine Verdoppelung, Verdreifachung oder Verfünffachung dieses Ansatzes zum Ergebnis hätten, wäre die Sanierung deutlich günstiger als ein Tunnel- oder ein Brückenneubau. Vor allem aber sollte der Senat sich klarmachen, dass der Erhalt dieses wichtigen Baudenkmals zweifellos im Interesse der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt liegt und schon aus weitaus nichtigeren Gründen Volksbegehren initiiert wurden.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich im Denkmalschutzgesetz dazu verpflichtet, durch „vorbildliche Erhaltungsmaßnahmen an Denkmälern für den Wert des kulturellen Erbes in der Öffentlichkeit“ einzutreten, und es ist zu befürchten, dass der Senat sich einmal mehr dieser Verantwortung zu entziehen versucht.

Zum Gutachten
Der Senat behauptet seit Jahren, der Abriss der Brücke sei bautechnisch, wirtschaftlich und funktional unvermeidlich, und hat daher mit den Planungen für eine neue Köhlbrandquerung begonnen. Wichtige Grundlage dieser Entscheidung sei ein von namhaften Ingenieuren vor 15 Jahren erstelltes Gutachten gewesen, das allerdings bis vor Kurzem unter Verschluss gehalten wurde. Durch Recherchen der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ ist jetzt bekannt geworden, dass die von der Hamburg Port Authority beauftragte Studie damals keineswegs zu dem Schluss kam, dass die Köhlbrandbrücke abgerissen werden müsse. Dies gelte für die beiden östlich und westlich gelegenen Stahlbetonrampen, nicht jedoch für die architektonisch und städtebaulich prägende Stahlkonstruktion der Brücke selbst mit ihren hochaufragenden Pylonen und der elegant geschwungenen, an Stahlseilen aufgehängten Fahrbahn. Ein Erhaltungsziel von 50 und mehr Jahren ist laut Gutachten für die Stahlbrücke erreichbar, weitere und tiefergehende Untersuchungen und übliche Instandhaltungsmaßnahmen seien erforderlich.

Es ist aus Sicht des Denkmalvereins Hamburg e.V. in hohem Maße erschütternd und befremdlich, dass so wichtige Erkenntnisse zur Erhaltungsfähigkeit der Köhlbrandbrücke erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangen.