In Bahrenfeld stehen direkt neben der Autobahn noch zwei Perlen der Hamburger Architekturgeschichte: Das Ensemble aus Haus Schneider und Haus Spörhase wurde in den 1920er Jahren von dem Architekten Karl Schneider errichtet. Beide Gebäude waren von Abriss oder starker Veränderung bedroht, bevor sie gerade noch rechtzeitig auf Initiative der Karl Schneider Gesellschaft unter Schutz gestellt wurden. Haus Schneider wurde inzwischen bereits vorbildhaft durch den neuen Eigentümer Peter Dinse restauriert, während Haus Spörhase noch auf seine Renaissance wartet.
Haus Schneider
Karl Schneider baute den rechteckigen Kubus für sich und seine Familie 1928 auf dem Höhepunkt seiner Karriere: ein 200 Quadratmeter großes Wohnhaus mit Garage und einem eindrucksvollen Flugdach über der Dachterrasse, auf der sich leicht zurückgesetzt das Atelier des Architekten befand. Das Haus war das erste in der damals neu angelegten Grünewaldstraße, die die Baurstraße und den Bahrenfelder Marktplatz verband - und dazu noch ein radikal modernes. Doch schon fünf Jahre, nachdem die Familie dort eingezogen war, wurde es im März 1934 zwangsversteigert, weil Karl Schneider die Hypotheken nicht mehr bedienen konnte. Er galt ab 1933 offiziell als „Kulturbolschewist“ und bekam als selbständiger Architekt keine Aufträge mehr. Mit der Entlassung aus seiner Professorenstelle an der Landeskunstschule am Lerchenfeld haben die Natonalsozialisten seine ökonomische Basis komplett zerstört.
Nach der Versteigerung wechselte das Haus noch fünf Mal den Eigentümer bzw. die Eigentümerin. 1959 wurde die Dachterrasse geschlossen, allerdings führte der Architekt Ferdinand Streb diesen Umbau so respektvoll gegenüber der Originalsubstanz aus, dass er jederzeit zurückgebaut werden konnte. Auch die Fenster wurden im Laufe der Zeit in ihren Proportionen verändert und das Haus mit einer außenliegenden Wärmedämmung versehen, sodass schließlich die ursprüngliche Komposition nicht mehr erkennbar war und das Haus völlig unscheinbar wirkte.
Mit der Planung des Autobahndeckels über die A7 stiegen die Grundstückspreise in der Gegend, und es stand zu befürchten, dass das Haus abgerissen worden wäre, um die Fläche besser vermarkten zu können. 2018 konnte jedoch die Karl Schneider Gesellschaft das Denkmalschutzamt überzeugen , das Haus unter Schutz zu stellen, und im Jahre 2020 kaufte der Architekt Peter Dinse das Haus, um es weitgehend in seinen originalen Zustand zurückzuversetzen.
Bemerkenswert ist nicht nur, dass jetzt die ursprünglichen Fassaden-Proportionen erlebbar sind und das ehemalige Atelier Schneiders auf der Terrasse außen wieder seinen blauen Anstrich erhielt. Auch im Inneren hat Peter Dinse nach Maßgabe der restauratorischen Untersuchungen die ursprüngliche, sehr gewagte Farbigkeit wiederhergestellt. In der Eingangshalle beispielsweise sind jetzt die Decke und eine Wand rot, die angrenzende Wand mit Tür und Türrahmen schwarz, die restlichen zwei Wände sandfarben gestrichen. Der Treppenaufgang zum ersten Stock hat wieder gelbe Wände, die Decke ist im gesamten Flur in Ultramarin gestrichen. Die prägnante freischwebende Wendeltreppe über dem Treppenaufgang hat ein helles Geländer, ihre Spindel ist schwarz, ihr Handlauf aus Messing. Das Haus ist vermietet, sodass es nur zu besonderen Anlässen innen zu besichtigen ist.
Haus Spörhase
Karl Schneider baute das Haus 1927 für den Architekturpublizisten Rolf Spörhase, mit dem er beruflich eng zusammenarbeitete. Es bildet ein ursprünglich weithin sichtbares Ensemble (siehe Luftbild in der Bildergalerie) mit dem benachbarten Haus Schneider. Gemeinsam sind sie ein klares Statement für die Wohnkultur des Neuen Bauens.
Das winkelförmige Haus Spörhase setzt sich aus zwei Quadern zusammen. Einer erstreckt sich in Ostwest-Richtung parallel zur Baurstraße und besteht aus zwei Geschossen. Der andere ist eingeschossig und geht senkrecht davon in die Tiefe. Hinten im geschützten Winkel gen Süden liegt der Garten. Auf dem eingeschossigen Gebäudeteil entstand durch diese Anordnung auf der Gartenseite eine großzügige Dachterrasse. 1964 wurden im Bereich der Dachterrasse ein zusätzlicher Wohn- und Schlafraum angefügt, wodurch die Dachterrasse kleiner geworden ist.
An der Fassade lässt sich noch die ehemals streng geometrische Gliederung aus quadratischen Fensterbändern und gezielt platzierter Eingangstür ablesen. Das Haus war zunächst als Klinkerbau geplant, ist dann aber in einem hellen Edelputz aus Muschelkalk ausgeführt worden. Im Kontrast dazu wurden der Schornstein, die Terrassen und die Einfassung auf der Straßen- und Gartenseite aus blauem Klinker gebaut.
Seit Juni 2023 steht das Haus Spörhase in der Baurstraße in Bahrenfeld unter Denkmalschutz. Da war es bereits einige Monate unbewohnt und befand sich im Eigentum der Projektentwickler Grell & Kröhncke. Anders als bei dem seltenen Chauffeurshäuschens an der Polostraße, das die Entwickler abgerissen haben, wollen sie hier das Gebäude denkmalgerecht sanieren und haben entsprechende Pläne Denkmalschutzamt im Herbst 2024 zur Stellungnahme geschickt.
Historische Fotos: Ernst Scheel © Petra Vorreiter und Privatarchiv Berthold Schulz
Aktuelle Fotos Haus Schneider: Rainer Binz
Aktuelles Foto Haus Spörhause: Ruth Asseyer