2018-2020

Wer von der vielbefahrenen Elbchaussee auf den Friedhof der Ottenser Christianskirche tritt, hat das Gefühl, in eine andere Welt zu kommen: Wie im Dornröschenschlaf liegen zwischen hohem Gras und alten Bäumen zahlreiche historische Grabstätten und -steine. Dabei ist bei einigen Objekten der Übergang von der malerischen Verwitterung zum traurigen Verfall nicht mehr zu übersehen. Besonders verfallen wirkte im Sommer 2018 die „Grabstätte Kölln“, prominent gelegen direkt neben dem Haupteingang der Kirche. Verbogen, verrostet und verschmutzt machte die Grabstätte einen höchst desolaten Eindruck.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

So passte es gut, dass der Vorstand des Denkmalvereins gerade auf der Suche nach einem neuen Förderprojekt war. Der Verein fördert regelmäßig mit einem Teil seiner regulären Mitgliedsbeiträge kleinere und mittlere Konservierungs- und Restaurierungsprojekte, die ihm zum großen Teil vom Denkmalschutzamt vorgeschlagen werden. 2018 lagen dem Verein bereits acht sehr unterschiedliche Projektvorschläge zur Auswahl vor, darunter auch die Grabstätte Kölln. Maßgeblich für die Auswahl war aber nicht nur das Kriterium der Dringlichkeit, sondern auch der Aspekt der Nachhaltigkeit einer Restaurierung: Die Gemeinde der Kirche hat schon vor einigen Jahren begonnen, sich für den Erhalt der Grünanlage zu engagieren, und so sah der Vorstand beste Voraussetzungen auch für eine langfristige Pflege einer restaurierten Zaunanlage.

Die Grabstätte der Familie Kölln
Die Familie Kölln ist eng mit der Geschichte der Christianskirche verbunden: Der Altonaer Bürger „Jacob Cöllen“ soll schon der Grundsteinlegung der Christianskirche 1735 im damals noch dänischen Altona beigewohnt haben. Das früheste auf dem Grabstein verzeichnete Sterbedatum ist von 1811, die letzte Beerdigung hier fand 1924 statt. Die Zaunanlage grenzt die Grabstätte vom restlichen Friedhofsgelände ab. Sie besteht aus mehreren 1 bis 1,5 Meter langen Zaunelementen sowie einem zweiflügeligen Tor und ist aus unterschiedlich verarbeiteten Eisenwerkstoffen zusammengesetzt: Gegossenen Eichenzapfen, gewalztem und gebogenen Flachstahl und schmiedeeisernen Elementen, die Blätter und Blüten darstellen. Für die vertikalen Streben der Zaunteile wurde Vierkantstahl verwendet, darin eine Art Nut-und Feder Verbindung. In die Nut der Vierkantstäbe sind die Enden der drei horizontalen Flachstahlstreben eingesetzt, wodurch die Zaun-Elemente stabil miteinander verbunden sind. Die Verbindungen der Ornamente sind genietet, was bei der Restaurierung noch eine Rolle spielen sollte. Vor Beginn der Maßnahmen war der Zaun an den Eckpfeilern 0,80 m hoch. Er war auf einem Steinsockel gegründet, der jedoch abgesackt und durch Erdreich verdeckt war.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Zustand im Mai 2019
Die Zaunanlage war stark verschmutzt und von organischem Bewuchs befallen. Die beiden Zaunteile der rechten Seite waren verkehrtherum aufgebaut, zu erkennen an den ansonsten nach außen weisenden oberen kleinen Blättern. Diese Zaunelemente waren zudem mit gerissenen Schweißnähten versehen – ein Hinweis darauf, dass der Zaun in den letzten Jahrzehnten schon einmal bearbeitet wurde. Die Beschichtung war nur noch in Resten vorhanden, so dass das Metall nicht mehr vor Korrosion geschützt war.

Bei der Demontage der Zaunanlage stellte sich heraus, dass der untere Teil der Stäbe vollständig durchmineralisiert war, und dass es nicht möglich sein würde, ihn durch einfache konservatorische Maßnahmen für den Außenbereich zu stabilisieren. Bei vorsichtigen Grabungen fanden die beteiligten Fachleute Zaunfragmente, deren Erhaltungszustand archäologischen Funden glich. Der korrosionsbedingte Materialverlust war besonders in den Übergangsbereichen zwischen den unteren horizontalen Gurten und den Flachstahlstreben festzustellen, aber es gab auch Fehlstellen oberhalb der verdeckten Zaunteile. Außerdem waren einige Blüten, Blätter und Zapfen verloren und das Tor ließ sich nicht öffnen.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Konzeptionelle Überlegungen
Das denkmalpflegerische Gesamtkonzept für den ehemaligen Friedhof der Christianskirche hat das Ziel, erforderliche Eingriffe in den Bestand so gering wie möglich zu halten. Die Vergänglichkeit wird als ein Teil der Friedhofsidentität betrachtet und trotzdem soll die historische Substanz so lange wie möglich vor Ort erhalten werden. Eine Erneuerung der Zaunanlage stand daher niemals zu Diskussion. Aufgrund der statischen Probleme wurde jedoch über die Teilrekonstruktion einzelner Elemente in historischer oder neutraler Formensprache nachgedacht. Darüber hinaus wurde eine vollständig neue Stahltragkonstruktion bemustert, die die historischen Zaunelemente in musealer Form hätte aufnehmen können. Als sich allerdings während der Entfernung der Korrosion ca. 70% der Zaunteile ablösten, entschied man im Sinne einer authentischen Restaurierung, diese wieder durch Nieten miteinander zu befestigen. Dadurch waren die Zaunteile wieder stabil genug, ihr Eigengewicht zu tragen und ein zusätzlicher Stützzaun war nicht mehr notwendig.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Die praktische Umsetzung
Die Zaunanlage der Grabstätte Kölln wurde im Mai 2019 demontiert
und in die Kieler Restaurierungswerkstatt von Corinna Krömer und Anne Bazilla-Kempf transportiert. Nachdem die Oberflächen von groben Verschmutzungen befreit waren, wurden die Korrosionsprodukte und die Reste der alten Beschichtungen handmechanisch entfernt, um eine gleichmäßige, einheitliche Oberfläche für die Konservierung zu schaffen. Um den ursprünglichen Farbwert zu ermitteln, wurden zwei Beschichtungsproben entnommen und diese mikroskopisch untersucht. Die Ergebnisse legten die Vermutung nahe, dass die Zaunanlage ursprünglich schwarz gestrichen war. Die neue, mit einem Pinsel aufgetragene Korrosions- Beschichtung besteht aus einem kunststoffbasierten 3-Schicht-System von Dr. A. Conrads Lacke GmbH & Co. KG aus Wuppertal. Am aufwendigsten war es für die Restauratorinnen, die Einzelelemente des Zauns mit über 250 Nieten wieder zusammenzufügen, Hand in Hand mit den Metallbauern der Metallbäckerei GmbH aus Felde. Um die Zaunanlage anschließend wieder an Ort und Stelle versetzen
zu können, sollte der historische Sockel entsprechend ertüchtigt werden. Leider stellte sich im Verlauf des Sommers heraus, dass dieser Eingriff unerwartete Komplikationen mit sich bringen würde...

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Das Landschaftsschutzgebiet
Der Friedhof der Christianskirche ist Teil des Hamburger Landschaftsschutzgebietes, daher gelten hier besondere Auflagen für Erdgrabungen. Dazu gehört z.B., dass Löcher ausschließlich von fachkundigen Baumpflegern gegraben werden dürfen, und dass in keinem Fall ein neues Kiesbett ins Erdreich eingebraucht werden darf oder Wurzeln gekappt werden dürfen. Obwohl alle Planungsbeteiligten voller Überzeugung hinter der Erhaltung des Naturhaushalts stehen, ergab sich dadurch ein Interessenkonflikt, der nicht nur den Restauratorinnen ein hohes Maß an Flexibilität abforderte. Die Lösung kam schließlich vom Vorsitzenden des Denkmalvereins, dem Architekten Lennart Hellberg: Er schlug Punktfundamente vor, die in enger Zusammenarbeit mit den Behörden, dem Baumpflegebetrieb von Uwe Thomsen aus Pinneberg und den Restauratoren in flexiblen Positionen gegossen werden konnten.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Ergebnis
Nach fast zwei Jahren fachlicher Betreuung durch den Vorstand und vor allem seine Sachverständige für Restaurierungsprojekte sowie den Verband der Restauratoren (VDR) wurde die historische Zaunanlage wieder an ihrem ursprünglichen Standort aufgestellt. In einer kleinen, feierlichen Runde wurde das so bescheiden wirkende Denkmal im November 2020 offiziell an seinen Eigentümer zurückgegeben, die Gemeinde der Christianskirche. „Wir sind sehr froh mit den Denkmalverein einen Partner gefunden zu haben, der sich solch besonderer Objekte annimmt“, dankte der Architekt Achim Freund als Vertreter der Kirchengemeinde. Auch die Amtsrestauratorin Ruth Hauer-Buchholz, die die Maßnahme seitens des Hamburger Denkmalschutzamtes begleitete, beglückwünschte alle Beteiligten zum rundum gelungen Ergebnis. Sie zeigte sich insbesondere erfreut darüber, dass der historische Charakter der Zaunanlage erhalten wurde, obwohl diese wegen der starken Korrosionsschäden vollständig neu beschichtet werden musste.

Konservierung und Restaurierung Grabstätte Kölln

Bedeutung der Maßnahme
Historische Zäune und Geländer aus Metall prägen das Gesamterscheinungsbild der Stadt, ob als Einfassungen von Hamburger Grünanlagen oder als Fassaden-Elemente an Balkonen. Leider sind sie an vielen Stellen bereits verloren oder unsachgemäß restauriert worden. Mit der fast 25.000 Euro teuren Fördermaßnahme an der Grabstätte Kölln wollte der Denkmalverein daher eine modellhafte Restaurierung in einem öffentlich zugänglichen Bereich ermöglichen, anhand derer nicht nur technische, sondern auch ästhetische Ansätze beim Erhalt vergleichbarer Objekte diskutiert werden können. Dass der Friedhof um die Ottenser Christianskirche Teil einer knapp 1,7 ha großen Fläche des Hamburger Landschaftsschutzgebiets ist, hat die Auf- gabenstellung komplexer, aber gleichzeitig auch realitätsnah gemacht, gehören Interessenkonflikte durch gesetzliche Vorgaben doch zu häufigen Herausforderungen beim Erhalt von Denkmälern.

Fazit
Mit der Fertigstellung der Zaunanlage konnte der Denkmalverein eine wegweisende Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahe im Bereich der Denkmalpflege fördern. Der vorhandene Bestand wurde mit kleinstmöglichen Eingriffen in die historische Substanz konserviert. Er behält dadurch seine von Alterungsprozessen geprägte Erscheinung und legt außerdem Zeugnis ab von dem Geschick eines fast ausgestorbenen Handwerks. Bei den Arbeiten wurde deutlich, dass eine detaillierte Voruntersuchung des zu bearbeitenden Objektes von großem Vorteil die Planungssicherheit sein kann. Aus Sicht der ausführenden Restauratorinnen hätte es bei regelmäßiger Wartung und Pflege der Zaunanlage nicht zu solch gravierenden Schäden kommen müssen; eine Feststellung, die zukünftige Generationen als Empfehlung wahrnehmen sollten.

Der Dank des Denkmalvereins gilt insbesondere den ausführenden Firmen für die vorbildliche Umsetzung des Projekts, ebenso der Restauratorin des Denkmalschutzamtes und dem Verband der Restauratoren (VDR) für die fachliche Betreuung und Unterstützung der Maßnahme sowie der Kirchengemeinde für ihre Geduld bis zur Fertigstellung des Projekts. Der Friedhof der Christianskirche ist ganzjährig geöffnet, sodass die Zaunanlage jederzeit besichtigt werden kann.

Fotos: Anne Bazilla-Kempf, Corinna Krömer, Christiane Maier